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Her insan dünyadır.

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Vorsicht, Monsterpost. (Ein interessanter zwar, meiner Meinung nach, aber es ist ja auch mein eigenes Innenleben, welches ich hier versuche auseinanderzuklamüsern und durch Schriftzeichen behelfsmäßig zu visualisieren.)

Mein Problem ist halt einfach, dass ich immer Musik als Spiegel der Seele sehe. (Auch wenn ich gerade noch zu Laura meinte, dass eigentlich ja Haare der wahre Spiegel der Seele wären, aber das war dann doch eher nicht ernstzunehmen.) Und dann kann ich immer nicht begreifen, dass eine Person nicht am allermeisten, vor jedem anderen möglichen Faktor, die Musik auszeichnet, die sie macht oder mag, oder beides. Der Klang ihres ureigenen Wesens. In jedem von uns muss doch Musik sein, oder – und einige Wenige haben dann noch das Glück, sie ausdrücken zu können, sie und dadurch einen ganz bedeutenden Teil ihrer selbst. Zusammen mit ihrer Art zu sprechen, zu handeln, zu schreiben, zu denken.
Und am allerwenigsten kann ich verhindern, aus der Art, wie die Musik mit meinem eigenen Empfinden resoniert, auf den Rest der Person, ihres Schaffenden, zu schließen, obwohl es unmöglich ist. Wäre es nämlich möglich, hätte ich meinen fairen Teil an Seelenverwandten auf dieser in Wirklichkeit erschütternd seelenverwandtenlos scheinenden Welt. Ich bin dann verwirrt manchmal, verwirrt und unverständig, und denke, aber es kann doch nicht sein, wenn die Person doch innen so klingt – oder denkt, oder spricht, oder schreibt – dann muss sie doch auch so sein. Da kann es passieren, dass ich die Handlungen ganz außer acht lasse. Ich komme mir vor manchmal, das glaubst du gar nicht. Wie einer von Kim Harrisons Vampiren aus ihrer grottigen Rachel-Morgans-Serie. (Ich mag vielleicht nicht mehr ganz so viel lesen inzwischen, aber um alles und jeden mit Charakteren zu assoziieren, wird meine mentale Bibliothek für dieses Leben zweifellos ausreichen.)

Jedenfalls geht es darum, unfreiwillig Sachen zu verbinden, die man nicht zu verbinden hat. Mir war nicht einmal klar, was da bei mir verkehrt ist, bis ich verstanden habe, wie absurd für Şahin damals die Vorstellung war, ich würde ihn lieben. (Und hey, für mich erst; ich habe das Wort ihm gegenüber nie in den Mund genommen – sogar auf der Zugfahrt, in den paar Stunden, war es „das L-Wort“, nichts Ausprechbares, nach der ganzen unendlichen Zeit voll zerstörerischer Verdrängung.)

„Für mich war unser gemeinsamer Punkt.. unsere Schnittstelle.. immer die Musik.“ Das im letzten Gespräch im Dezember. Das mit dem Blick auf den Regen.

Ja, natürlich. Aber hey, zum Musikmachen brauchst du keine beste Freundin. Sagte ich ihm dann. Und dachte, so einfach kannst du dir das doch wohl nicht machen. Oder? Hätten dann nicht ganz andere Umstände herrschen sollen? Müssen? Merkt man nicht den Unterschied, ob man als Mensch geschätzt wird oder als Musiker? Und da fielen sie, die ganzen Tropfen, und mir war kalt am offenen Fenster. Und ihm wohl auch, da, wo er sich untergestellt hatte irgendwo zwischen der Bushaltestelle und seinem und Caros Zuhause – bei ihm hat es auch geregnet. Und wieso genau eigentlich scheint mir das Gleiche in abgewandelter Form immer wieder zu passieren?

Wie oft dachte ich, damals schon, „wenn wir die Musik nicht hätten, würde er überhaupt nur mit mir reden?“ Und wollte es am liebsten gar nicht wissen. Aber hab‘ sie dann mitgeteilt, meine Zweifel, sogar damals, als ich es noch kein bisschen gewohnt war, über Zweifel zu reden, und wurde ganz, ganz erschüttert und überzeugend, so erschreckend überzeugend für verrückt erklärt. Mit so viel Wärme, wie ich sie in meinem Leben noch nicht gesehen hatte. Und wurde, ganz im Gegenteil, immer weiter gegen die Wand gesteuert – was, denke ich mir, macht dieser Mensch erstmal, wenn er jemanden bewusst gegen eine Wand steuern will? Wahrscheinlich hätte er keine Ahnung, das ist ja das Lustige. Aber er war wie ein Schlafwandler. Und man soll doch Schlafwandler nicht aufwecken. Ich hätte ihn aufwecken sollen. Wäre ich mal in der Lage gewesen, ihn aufzuwecken.

Und diese Intensität, auf die Menschen selten anders reagieren würden als unverständnis- und weglaufinstinkterfüllt. Die ich zu großen Teilen verstecke, weil mir das sehr gut bewusst ist.
Und das Ding mit der Wärme. Der Sinn meines Daseins liegt in der Wärme. „Du immer mit deiner Wärme“, sagte Laura vorhin noch zu mir, als ich anmerkte, dass mir ihrer Beschreibung nach die russischen Babuschkas mit ihrer unendlichen Gastfreundschaft so warm vorkämen. Und sie fände mein Wärmebedürfnis merkwürdig, weil, nach dem zu urteilen, was sie über meine Sozialisation weiß, ich eigentlich keinen Mangel an Urvertrauen haben dürfte.

Ich weiß nur, dass ich es schwierig finde, zwischen verdienter und unverdienter, erlaubter und nicht erlaubter, realer und eingebildeter Wärme zu unterscheiden, und dass alles, womit der gute, wenngleich verstörend hirnlose Mensch damals sowohl mich als auch Caro, seine eigene Freundin (zumindest die sollte man doch, wage ich in all meiner Unkenntnis der diesbezüglichen Normen und Regeln einfach einmal zu behaupten, gut genug einschätzen können, um zu bemerken, wenn es ihr grottig geht, mehr noch, wenn sie wirklich nicht versucht, es in irgendeiner Weise zu verheimlichen – wenn man von der Person, die man selbst aus eigenem Antrieb seine „beste Freundin“ zu nennen pflegt, schon nicht mehr kennt als die mehr schlecht als recht festgetackerte äußere Hülle), völlig unbemerkt in völligste Verzweiflung gestürzt hat, dieser Schwierigkeit keine Abhilfe geschaffen hat. Und dass ich vorher vorsichtig war – aufgrund dieser Unfähigkeit – und jeglicher Art von Zuneigungsbekundung gegenüber erst einmal skeptisch. Und dass ich währenddessen genau das weiter versucht habe, dabei gefailt habe und anschließend gelehrt wurde, dass ich eigentlich genau Recht hatte, was aber wenig hilft, wenn das Unbewusste nicht so weit entwickelt ist wie der Verstand. Alles, was logisch ist, fällt doch letztendlich dem Unbewussten zum Opfer.

Ich habe es mir abgewöhnt, mich über die Beständigkeit meines Nachdenkens darüber zu wundern oder sie mir gar vorzuwerfen, mit der lapidaren Begründung, es wäre ja nicht normal. Sogar die Therapeutin war beleidigt, als ich ihr damals damit ankam, „das ist doch nicht normal“. Damals noch selbstverachtend und zerstört.

Mittlerweile denke ich, dass es wohl auch daran liegt, dass mein Verständnis von der Wertigkeit eines Menschen anders zu sein scheint. Leute scheinen andere Menschen als Teil ihrer Welt zu betrachten. Es gibt dieses türkische Sprichwort, „her dil insandır“. Jede Sprache ist ein Mensch. Sie haben Recht damit. Und für mich ist jeder Mensch eine Welt. Sich einer Welt zu öffnen sollte mit Bedacht passieren und wenn, dann in Gänze, mit so vielen Komponenten wie nur irgend möglich. Wie kann man sich sicher fühlen, solange die Karte der Welt, auf die man sich beschlossen hat einzulassen, mehr weiße Flecken als bekannte Gebiete aufweist, oder überhaupt weiße Flecken.
Man zerstört nicht einfach eine Welt, sei es aus einer Laune heraus, aus Ahnungslosigkeit, Bosheit, aus diesem Bedürfnis, etwas zu zerstören, einfach weil es einen selbst auf intolerante, taktlose Art in Frage stellt, wie ich es manchmal mit meinen Eltern habe. Sei es aus dem Gefühl heraus, sich verteidigen zu müssen. Aus dem Gefühl heraus, selbst zerstört zu werden. Man macht es einfach nicht. Und eine Welt zu verlieren ist nichts, was ich mir aus trivialen Gründen erlaube, geschweige denn über das ich nach zwei Wochen (metaphorisch oder eben nicht) aufhören würde nachzudenken, ob ich nun könnte oder nicht.

Und wenn ich mir nach alldem überlege, dass ich mit Caro eben über drei Stunden telefoniert habe und das Gespräch, das wir hatten, in seinem Wert den unserer früheren Unterhaltungen – zu Şahin-Zeiten, vorher – um ein so Vielfaches übertraf, so wie ein Großteil unserer Gespräche es heute tut – ich tendiere fast dazu, zu behaupten, jedes einzelne davon war bisher wertvoller, denn jedes einzelne davon war so viel ehrlicher – dann sehe ich mich in meinen vielleicht verqueren, aber für mich absolut in sich schlüssigen Ansichten all diesen Dingen gegenüber nur wieder einmal bestätigt.

Was für eine Bandbreite an Sachen, die mich alle unentwegt beschäftigen, ich hier abgeklappert habe. Wie fließend das ging, wie gut das tat; wie wenig ich überhaupt gedacht habe dabei. Einer der wenigen Texte, die ich, würde man mich vor die Aufgabe stellen, sie aus dem Gedächtnis zu rekonstruieren, vermutlich nicht einmal ansatzweise wieder hinbekommen würde. (Anders als beispielsweise meine Abiklausuren; die habe ich auf dem Nachhauseweg vom Bahnhof jeweils wortgetreu meinem AG erzählt und so für die Ewigkeit konserviert, mit meinem Dokumentationsbedürfnis war das wirklich eine praktische Angelegenheit. Das und die Tatsache, dass ich nie mehr geschrieben hatte als meine rekordverdächtigen 5 ganzen Seiten in Geschichte.)

Wie ich bereits irgendwann mal erwähnt habe – man sollte kaum meinen, dass meine Klausuren immer so kurz waren, wenn man sich die Ausmaße meiner Einträge anschaut. Whatever. Mein Blog. Ich spamme, so viel ich lustig bin. Cheers.

Wärme in Koffern. Kälte im Raum. Leben im Nebel.

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Wir haben es doch wieder hingekriegt. Unfassbar ist das, wie machen wir das?
Ein weiterer Heiligabend mit einer dramatisch-versöhnlichen Bescherung. Das Gefühl, dass es solide sein könnte, ist natürlich seit Jahren nicht mehr da, aber geschafft ist es trotzdem. Wieder.

Wie? Und warum überhaupt die Mühe, uns immer aufs Neue zusammenzuklauben? Wir funktionieren doch alle nicht. Warum nicht es endlich einsehen und allen Schein fallenlassen. Uns ergeben, uns aufgeben. Die absolute Hoffnungslosigkeit dieses letzten Tages sollte doch besser anhalten, um es nicht alles immer wieder noch schmerzhafter zu machen. Das Allesverlorenhaben, das Wahrscheinlichniewirklichetwasgehabthaben. Das Fehlen von Wärme, von echter Wärme, nicht gesprochener Wärme, nicht materialisierter Wärme. Von gefühlter, gelebter Wärme. Wärme ohne Worte, ohne Demonstrativität. „Wie kannst du wagen, zu sagen, ich wäre nicht warm. Schau doch, wie warm ich bin. Ich tue dies und jenes, das es beweist.“ Aber gefühlt ist es kalt, nicht sicher. Warm ist sicher.

Ein Koffer voller Wärme. Sie sagte, sie hätte einen ganzen Koffer voller Wärme mitgebracht. Gestern Mittag, nachdem selbst mein versuchter Ansatz eines klärenden Gespräches genug war, um sie wegzubefördern. Dann sagte sie, sie müsse doch zu mir fahren. Mein Vater daneben. „Und dafür musst du erstmal zurückkommen. Schätzchen, komm zurück“. Ich in der Ecke ihres Bettes, die zusammengesunkene Gestalt beobachtend, die wirres Zeug von sich gibt, sie hätte mir doch einen ganzen Koffer voller Wärme mitgebracht. Eine Unterhaltung mit meinem Vater, der sagt, ich wäre zu hundert Prozent egozentrisch, als ich ihm zu erklären versuche, dass ich das nicht mehr lange aushalte. Dass sie sich helfen lassen muss und ich sie so nicht in meinem Leben haben kann. Weil ich nicht kann. Wäre ich selbst stabil, müsste ich können; ich dachte früher, ich müsste können, vor allem als ich noch da gewohnt habe, aber eigentlich kann ich doch überhaupt nicht. Das versteht er natürlich nicht, weil er keine Ahnung hat, wie es bei mir drinnen aussieht. Dazu müsste ich es erstmal zeigen können, nicht nur verbalisieren. Ich verbalisiere ruhig, distanziert und gelassen, dass ich irre am Rad drehe innerlich. Es wird mir nicht abgenommen, solange ich es artikuliere, ohne dabei in Trancezustände zu verfallen. Ich müsste erst zusammenklappen; das lenkt erfahrungsgemäß seine Aufmerksamkeit ganz gut auf einen. Wäre ich einfach einen Tick schwächer und würde immer zusammenklappen, wenn ich das Bedürfnis dazu habe, so wie sie es tut. Wie viel einfacher wäre alles; warum kann ich denn das nicht. Oh, wahrscheinlich weil nichtmal dann ich verstanden werden würde. Dann ist es wahrscheinlich Aufmerksamkeitsuchen, Melodramatik, fast schon Nebensache; das Zusammenklappen ist zu sehr Teil der Familientradition. Es ist ja auch alles nicht mein Problem, wie ich zwischendurch immer mal zu hören bekomme. Wenn meine Familie ein lebender Albtraum ist und ich nicht weiß, wie ich drei Tage in diesem Umfeld je geistig unbeschadet überleben soll, natürlich ist das nicht mein Problem, wieso sollte es. Mein „Ich kann nicht mehr“ wird nicht gehört; ich kann aber nicht mehr, ich kann nicht mehr so funktionieren.

Du hast keine Ahnung, keine.