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…comes without warning

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So. Nachdem in letzter Zeit genug passiert ist – Besuch von der belgischen Sarah und Onno, Ostern in Konstanz, einwöchiges Asyl für Barbara aufgrund ihrer akuten Wasserlosigkeit, um nur einige interessante Stichworte zu nennen – ist das wohl interessanteste Ereignis eines gewesen, das sich in den späten Stunden des 19. April zutrug.

Ich habe mich nämlich aus einem nicht näher definierbaren Grunde dazu entschlossen, R die Öffnung unserer Beziehung anzubieten. Der Auslöser dafür war ziemlich sicher mein Wochenende in Konstanz – ich habe mich im Contrast herumgetrieben, während Basti dort Schicht hatte, wurde von Menschen angesprochen, habe betrunken Kontakte geknüpft und interagiert, es ging mir gut, und auf der Zugfahrt zurück dachte ich mir irgendwann, vielleicht bist du ja inzwischen jemand geworden, der so etwas tatsächlich könnte. Txoria txori fing an, in meinem Kopf zu spielen. Hegoak ebaki banizkio…

Und natürlich war mir klar, dass, sollte diese Möglichkeit bestehen, es praktisch unumgänglich sein würde, die logische Konsequenz daraus zu ziehen – meinem aus eigenem Willen verstümmelten Vogel seine Flügel zurückzugeben.

Ich schlug es ihm also vor und dachte für einen Moment, es würde wirklich funktionieren. Er war verwirrt und sehr glücklich. Ich war relativ gefasst. Ich war auch ein wenig beschwipst, das dürfte geholfen haben.

Wir haben dann gestern über die Konventionen gesprochen und über alles Mögliche drumherum. Während ich die Offenheit und die Intensität dieses Gespräches sehr geschätzt habe, hat es trotzdem enorme Zweifel bei mir hervorgerufen. Es kamen auch Dinge zutage wie die Tatsache, dass er gleich schon jemanden in Aussicht hätte, mit der er wohl mal fast etwas gehabt hätte, bevor wir zusammenkamen, „und danach stand es im Raum“. Natürlich sind wir auch dieses Wochenende gleich wieder in KN, dann kann er sie sehen und ihr die freudige Nachricht überbringen. Typisch mein Timing.

Weiterhin habe ich meine Haltung währenddessen nochmal analysiert und ihm das Ergebnis gleich mitteilen können, dass ich mich nämlich vor meinen eigenen Reaktionen mit am meisten fürchte. Meiner ziemlich pecherfüllten Vergangenheit (dir muss ich das nicht sagen, aber er wollte bis heute noch nie etwas darüber wissen) ist es zu verdanken, dass ich heute befürchte, schnell mal einen Kurzschluss-Radikalschlag zu Selbstschutzzwecken zu veranstalten. Ich möchte niemals wieder so leiden.

Ich bin dann abends containern gefahren mit dem fürchterlichsten Gefühl im Bauch. Genauer gesagt habe ich mich nicht mehr so elend gefühlt, seitdem vor ziemlich genau zwei Jahren mir die Last einer potenziell offenen Beziehung durch R von den Schultern genommen wurde. Zugegebenermaßen hätte ich nicht gedacht, dass mich exakt das gleiche Elend wieder in gleichem Maße heimsuchen würde. Das richtige Elend kam eigentlich heute Früh in Form eines „Ich kann das nicht, wir sind nicht kompatibel, ich kann das nicht, ich bin nicht stark genug“-Heulanfalls, als mich um sieben Uhr nach R’s Weggang zur Arbeit auf einmal eine Panik überfiel, die mal Teil meines Alltags war, aber schon zwei Jahre lang kaum mehr zu Besuch kam. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das nicht packe. Ich kann es allerdings nicht rückgängig machen: er sagte gestern noch, dass diese Aktion unsagbar viel für seine Bindung an mich getan hätte, ich kann jetzt nicht die Bindung wieder zunichte machen und ihn schon wieder verstümmeln. Auch wenn er (und das unterscheidet ihn von dem Menschen von vor zwei Jahren) mir deutlich zu verstehen gab, dass er „zwar hart daran zu kauen hätte“, aber es durchaus respektieren würde, wenn mir „morgen oder in zwei Jahren“ etwas Anderes wieder lieber wäre.

Also laufe ich herum und die Panik schnürt mir die Luft ab und das Bedürfnis zu heulen ist wieder da, als wäre es nie verschwunden gewesen, und ich schreibe Songtexte in meinem Kopf wie seit Jahren nicht mehr, und während ich es so sehr vermisst habe, dass Texte in meinem Kopf erscheinen, so ist es mir doch das offenbar dafür essenzielle Elend nicht wert.

Ich werde berichten.