Esperando

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Eineinhalb Tage.
Hoffentlich findet meine Mutter bis morgen meine Geburtsurkunde. Meine Eltern sind immer noch am Renovieren und offenbar ist das Haus ein einziges Chaos. Da komme ich mit meinem Request genau richtig. Aber ehrlich.. wichtige Dokumente bewahre sogar ich so ordentlich auf, dass ich zu jeder Zeit drankomme. Wenn ich sie nicht gerade unter mysteriösen Umständen verliere. Am besten verlagere ich dieses Jahr mal irgendwann meine ganzen offiziellen Papiere zu mir nach Hause.

Uff. Mein Computer ist nicht mehr der Reaktionsfreudigste. Alle paar Minuten hängt er sich auf, stürzt ab oder veranstaltet sonstige lustige Unternehmungen ohne mich. Wenn ich nicht wüsste, dass in einer Woche Robert zu mir kommt, mit einem linuxbeladenen USB-Stick, würde ich halb verzweifeln. So dagegen ertrage ich es tapfer. Was habe ich letztens noch Schönes gelesen: „Before you marry someone, watch them handle a computer with slow internet to expose the person they really are.“ Da würde ich ausnahmsweise mal richtig gut abschneiden.

Nebenbei spiele ich Snake, schaffe es wie immer nicht einmal ansatzweise, meinen inzwischen knapp siebenjährigen übermenschlichen Rekord aus Kopenhagen zu brechen, und erschrecke mich regelmäßig zu Tode, wenn die Musik nach einem weiteren Schwächeanfall der virusgeplagten Bernadette wieder anfängt zu spielen. Ohne kann ich aber auch nicht; NUFANs Hard Rock Bottom ist mein ständiger Begleiter in dieser Zeit und wird mich ohne jeden Zweifel später in einem Schwall aus Bildern, Gefühlen, Erinnerungen, Assoziationen, Gedankensequenzen und dieser einen, völlig individuellen, jedem Zeitabschnitt des Lebens, egal wie lang oder kurz, irgendwie eigenen ganz bestimmten Atmosphäre zuverlässig wie nichts sonst an meine letzten Wochen in Vitoria erinnern.
Noch eine Zeitkapsel.

Ich muss zum Gratisladen gleich, um tütenweise Zeug abzugeben (und vermutlich trotz ernstem Platzmangel doch wieder mit neuer Ausbeute zurückzukommen). Außerdem wollten Saskia und ich heute Abend noch einmal zu an dieser Stelle erstmals erwähntem Mushroom place gehen, aka das Verdi – eine erklärte Erasmus-Bar, in der donnerstags – Pintxo-Pote-Zeit* – mit Knoblauchbutter gefüllte Champignons als Pintxos verkauft werden und sich die Menschen, nur allzu zahlreich anwesend, in einem Gewimmel von Plastiktellern, dröhnender schrecklicher Musik und Müll, Müll, Müll irgendwo ein Fleckchen suchen, um diese Köstlichkeiten in der Gesellschaft ihrer Wahl zu verzehren. Aber wenn es nunmal so unschlagbar ist, Champignon-Pintxo und das obligatorische Pote für einen kleinen Euro – für mich Wein, Saskia wählt Kalimotxo, was ich allein aus ökonomischer Sicht unverständlich finde, aber wenn sie es nunmal so mag..

*Um dich kurz mit dem Pintxo-Pote-System vertraut zu machen (ich bin vermutlich eh die einzige bloggende Erasmus-Studentin in Vitoria, die dieses Wort anderthalb Tage vor ihrer geplanten Abreise zum ersten Mal erwähnt). Pintxos sind die baskische Variante von Tapas. Brot als Unterlage, und alles Mögliche drauf – von Fisch über Gemüse bis hin zu Tortilla oder Zeug mit Schinken. Wenn man in Euskadi abends weggeht, funktioniert es folgendermaßen: Du gehst mit deiner Koadrila (oder sagen wir ganz zivilisiert Clique) in eine Bar, isst ein-zwei Pintxos, trinkst ein-zwei Cañas (was nichts mit Zuckerrohr zu tun hat, sondern einfach ist, wie man hier ein Glas Bier nennt), und weiter geht’s zur nächsten Lokalität. Das Pote ist ein genereller Ausdruck für Getränke – Wein, Bier, Kalimotxo (eine überall zu erwerbende Mischung aus Wein, Eiswürfeln und Cola). Und Pintxo-Pote nun ist praktisch die vitorianische Happy Hour der Woche, Donnerstag Abend, wo du in vielen Bars einen Pintxo und ein Pote zusammen für um die 1,50 – 2€ bekommst.

So viel dazu. Was ich aber eigentlich nur sagen wollte, war, dass ich mich ein bisschen krank fühle und noch nicht ganz sicher bin, ob ich ihr nicht eventuell absagen sollte.

Manchmal höre ich Marco reden.
„Tienes mucha suerte.“

Natürlich, dass ich das nicht einfach vergesse. Das wäre ja schon eher untypisch.

„What a good teacher I am.“
„Hah, I wouldn’t say so. I’d say life is.“

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