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Urlaubshaut

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Es ist schon ein ziemliches Traumleben. Ausschlafen, gemütlich frühstücken, raus in die Sonne. Heute durfte ich einen Humana-Laden plündern und habe nichts gekauft außer einem universell anwendbaren schwarzen Short für 1,45 € – er war um 50 % reduziert, warum auch immer – , solch eine Glanzleistung habe ich noch nie vollbracht. Dafür habe ich später mordsmäßig zugelangt, als ich die Gelegenheit bekam, für uns Snacks zu kaufen, und kam vollbeladen mit einer ganzen Tasche Chips und Kekse, Stroopwafels, Eis und Energydrinks wieder heraus, größtenteils sogar legal erworben. Irgendwie muss man sich ja erkenntlich zeigen für die wunderbare Gastfreundschaft. Zumal sich Nicole die Mühe gemacht hatte, uns auf unserem Spaziergang zum Winterhuder FairTeiler hinzumanövrieren, auch wenn dann nichts drin war außer Tortenguss und Schinken-Lyoner. Ich bin nicht mehr so festgefahren, dass ich aus meiner Haut nicht auch mal herauskomme, wenn es unbedingt sein muss.

Mit Basti habe ich vorhin kurz telefoniert, aber da er jetzt in Frankreich auf Geschäftsreise ist, fiel das auch sehr kurz aus. Jedenfalls bin ich wieder etwas besänftigt und muss mir keinen Stress mehr machen, nicht mal aus Prinzip. Dann hat mich noch Jana angerufen und ich hatte zwar keine Zeit, aber habe ihr die Frage mit auf den Weg gegeben, die mir R neulich gestellt hat: Was ist das Lied von Taylor Swift, das jeder kennt?

Niemand scheint eine Antwort zu wissen, ich am allerwenigsten. Selbst nach einer ganzen Doku, die ich gesehen habe, fällt mir partout nichts ein. Nicole habe ich auch schon gefragt. Wenn es irgendjemand weiß, dann sie mit ihren übernatürlichen Kenntnissen zeitgenössischer Popkultur. Ihre Reaktion in etwa: „Keine Ahnung. Ich hasse Taylor Swift, Andere hätten den Ruhm viel mehr verdient. Hero?“

Wie gesagt, ich weiß es leider auch nicht.

Hin und her und hin

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Es gibt viel zu erledigen. Zehn Tage bis zur Australienreise und es formt sich so etwas wie ein fertig organisierter Ablauf unserer Ankunft. Unfassbar, was dafür alles notwendig ist – selbst das Reisen ohne Plan erfordert schon eine Unmenge Koordination.

Dazu der Autogewinn meiner Großeltern, der sie hoffnungslos überfordert; meine Mutter hat es an sich genommen, sich um die Details zu kümmern, und ich habe Basti involviert, der bereitwillig hilft. In der Wintersaison hat er wenig Kundschaft im Laden und somit Kapazitäten, von der Arbeit aus Reisevorbereitungen zu treffen und Autoverschacherungsmöglichkeiten auszukundschaften. Wir machen das gut.

Mein freier Vormittag heute ist ein Geschenk des Himmels. Im Laden ist heute wieder Anna in Position; ich übernehme morgen Vormittag noch einmal die Schicht für die Chefin, die meine Noch-Anwesenheit ausnutzen möchte, bevor ich dann zwei Monate in unerreichbare Gefilde entschwinde. Es ist mir viel Arbeit sicher, wenn ich zurückkomme, so viel steht fest.

Heute Abend begutachtet Basti mit der Chefin im Laden die halbkaputte Deckenbeleuchtung, während ich mich zu Hause möglicherweise mit Mike treffe, wenn er denn kommt. Third time’s a charm, diesmal sollte es klappen.

Ich habe so geschäftig vor mich hin organisiert, dass trotz anstehenden Termins heute Nachmittag nicht mal wirklich Raum für Panik bleibt. Auf dieser Welle möchte ich gern weiter reiten, duschen gehen, mich fertig machen und in anderthalb Stunden entspannt aus dem Haus gehen. Wäre das nichts? Oh doch, ich finde schon.

Aber es ist gut.

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Und wieder einmal eine Medi-Umstellung. Von der unprofessionell mit dem Küchenmesser halbierten 10-mg-Tablette am Tag über zwischenzeitlich kurz die ganzen 10 mg versuche ich es jetzt wieder mit dem Wechselmodell, ein Mal 10 mg alle zwei Tage. Soweit läuft es ganz gut; ich bilde mir ein, insgesamt wieder etwas weniger Panik zu verspüren (die mich auf 5 mg wirklich geplagt hatte), und erquicke mich an dem riesigen Bonus dieser Methode, den die explosionsartig zurückkehrende Gefühlsbandbreite darstellt. Ich genieße es, in Tränen auszubrechen, wo ich vorher einfach gar nichts empfunden habe, und nehme dafür dumpfe Kopfschmerzen in Kauf, die hoffentlich mit der Zeit verschwinden.

Trotz allem ist es mir zu viel Panik. Aus Australien wiedergekommen, möchte ich versuchen, mich noch einmal nach professioneller Unterstützung umzusehen, was immerhin bezüglich dieses konkreten Problems eigentlich sogar das erste Mal wäre. Es ist nicht so, dass ich mit dem Level an Panik nicht leben könnte, aber ich sehne mich trotzdem nach echter Ruhe.

Die wichtigsten Vorbereitungen für die Reise sind mittlerweile fast abgeschlossen. Es ist mir endlich gelungen, mich zu überwinden und die kostenlose Transit-Übernachtung in Sri Lanka zu organisieren, welche die Airline auf Anfrage bereitstellt. (Passend dazu habe ich letzte Nacht natürlich geträumt, SriLankan wäre pleitegegangen, zugegeben nicht das unwahrscheinlichste Szenario in diesen Zeiten und definitiv Produkt der immerwährenden unkonstruktiven Angstmache von Seiten meiner Mutter. Zudem kam ich im Traum auf dem Flohmarkt an, wo ich einen Stand reserviert hatte, jedoch ohne meine Sachen zum Verkauf mitgebracht zu haben. Willkommen in meiner Traumwelt. Erleben Sie hier das garantierte Gegenmittel zu jeglicher Form der Entspannung; Sie erhalten Ihr Geld zurück, sollten Sie wider Erwarten erholt aufwachen.) Bleibt vorerst nur noch das relativ unkompliziert zu beantragende Transit-Visum und möglicherweise die Stornierung unserer Unterkunft in Melbourne, sollte sich heute noch jemand finden, der uns über Trustroots/BeWelcome privat aufnimmt.

In einer Dreiviertelstunde fahre ich los zu Maja, und die Panik lässt es mich wissen. Ich frage mich immer wieder, warum der Teil von mir, der bewirken sollte, dass die Angst, den pünktlichen Zeitpunkt zum Losfahren zu verpassen, in irgendeinem Verhältnis zu dem steht, was mir drohen würde, sollte ich tatsächlich zu spät losfahren, so einen gehörigen Dachschaden hat. Und das, obwohl ich bereits Medikamente nehme. Was um Himmels Willen ist da los? Warum kann ich mir nicht wie normale Menschen einen Wecker stellen, der mich rechtzeitig erinnert, und bis dahin einen produktiven Tag verleben, statt wie gelähmt auf diesen Moment zu lauern? Es sollte doch machbar sein. Das möge mir bitte mal jemand beibringen.

Gurgeln und penn‘

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Es wird mit dem Hals langsam besser; ich habe mit Pans kolloidalem Silber gegurgelt und erstaunlicherweise zum ersten Mal seit Beginn dieser Katastrophe eine Besserung gemerkt.

Wir haben aufgeräumt und vorhin den zweiten Teil des Harry-Potter-Spinoffs angeschaut, ein gelungener Tag also, und nicht einmal aus meinem Schlafzeug heraus musste ich dafür. Ausgeschlafen bis halb zwölf Uhr, das war mehr als nötig, auch wenn ich wieder einmal ausgesprochen anstrengendes Zeug geträumt habe. Der Zustand, in dem ich gestern zu Hause ankam, war wirklich nicht mehr feierlich.

Gleich wird noch einmal gegurgelt und dann geschlafen.

Unterwegs

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Finally. Ich werde das Gefühl nicht los, irgendetwas vergessen zu haben, aber vermutlich ist das bloß mein Kopf, der nach einem Tag im ultimativen Rödelmodus nicht auf einen Schlag zur Ruhe kommt, nur weil man ihn plötzlich ins Auto verfrachtet.

Wir haben angehalten, weil Basti Scheibenwischflüssigkeit kaufen musste. Ich beobachte ihn durch die Windschutzscheibe beim Nachfüllen.

Drei Stunden, dann sind wir bei meinen Eltern. Hoffentlich wird das Zusammensein so harmonisch wie das letzte Mal. Drücke uns die Daumen…

Einsen und Nullen

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Die Erkältung ist immer noch da, aber ich bin für die Außenwelt gerüstet – frisch geduscht (endlich) und gehüllt in bequeme Klamotten aus Mamas exquisit bestücktem Kleiderschrank. Meinen Hals wärmt ein weicher, dicker Schal, der (natürlich) farblich wunderbar zu dem Outfit meiner Wahl passt. Ich bin entweder komplett verranzt oder aber stilistisch einwandfrei unterwegs.

Ich kann es kaum erwarten, mit Möhren und Tortilla-Chips Schafskäsecreme und Humus zu löffeln, und leide nur bedingt unter den Regungen meines Gewissens, welches beklagt, dass ich keinerlei Absicht erkennen lasse, den Regler für Ladeneinkäufe vielleicht doch mal auf ‚vegan‘ umzulegen. Die Tatsache, dass dieses Phänomen so überaus selten auftritt, wirkt dem entgegen. Außerdem setze ich in diesen Momenten meine Grundwerte so oder so außer Kraft. Eine Art Urlaub vom vernünftigen Handeln.

Ich habe das ganz besonders neulich beobachtet, als mich Mama in den Supermarkt mitnahm, um mich mit Vorräten für meine Zeit hier einzudecken. Während sie akribisch die Marken begutachtete, um auch ja nicht aus Versehen zu Nestlé oder ihren zahlreichen Töchtern zu greifen, lief ich selbst völlig unbedarft von einem Produkt zum nächsten – ich habe jeden Blick für verantwortungsvolle(re)n Konsum verloren, weil das ganze Einkaufen an sich für mich persönlich nicht im Geringsten vertretbar ist. Da tendiere ich dazu, beide Augen zuzudrücken und gar nicht mehr wahrzunehmen, ob ich das kleinere oder das gigantische Übel auswähle.

Inzwischen sind auch meine Haare vollständig getrocknet. Zeit, zu gehen und sich ethisch zweifelhaft zu verhalten.

Travels & Tomatoes

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Es wird kalt draußen. Heute Früh habe ich die Mützensaison eingeläutet, um ohne schmerzende Ohren bei der Therapeutin anzukommen. Umso froher bin ich, dem Winter erstmal noch ein wenig entfliehen zu können – wenn alles gut geht, bin ich morgen um diese Zeit in Porto und nachmittags schon im Bus auf dem Weg nach Santiago.

Becci hat mich mit Panik infiziert, dass wir den Flug verpassen, weil ich recht knapp erst am Flughafen sein werde – aber besser quäle ich mich mitten in der Nacht zum Fernbus und komme kurz vor knapp erst an als heute Nachmittag schon mein ganzes Zeug zu Marthe mitzuschleppen und von dort aus erstmal zu Becci zu fahren, um mich dann mitten in der Nacht aus dem Bett in den Zug zum Flughafen zu quälen. Zumal wir bereits online eingecheckt sind, kein Gepäck aufgeben müssen und uns immerhin vom Zeitpunkt meiner Ankunft an eine halbe Stunde bleibt, um zum Gate zu kommen.

Ich habe zu großen Teilen bereits gepackt und kümmere mich nun um die letzten Erledigungen. Ein Rundgang über meine Terrasse hat dazu geführt, dass ich eine der letzten Chancen ergreifen konnte, endlich mal Fotos von meinen Tomaten zu machen. Die ganze Zeit war ich zu dumm, daran zu denken, bevor ich sie ernte.

Es ist doch zu ironisch: jetzt, wo ich weggehe, scheinen sich meine Pflänzchen zu einem letzten Aufbäumen vor der Kälte entschlossen zu haben. Diverse Nachzügler und Spätgesäte fangen an zu blühen, sogar der Zieringwer und die Physalis, von denen ich schon dachte, dass sie dieses Jahr einfach aussetzen. Und nun bin ich weg und muss es R aufs Dringlichste einschärfen, dass er meinen blühenden Zieringwer fotografieren muss und ebenso die Wildblumen, damit ich irgendwann noch erfahre, was ich da eigentlich gesät habe. Zum Glück habe ich in Anbetracht des sich fortwährend verschlimmernden Zustandes seines Handys neulich beschlossen, seinen Geburtstag vorzuziehen, und ihm sein Geschenk (sprich, sein neues Handy) schonmal überreicht. So dürfte dem wenig im Wege stehen, von einem gewissen Motivationsmangel mal abgesehen.

Da nun so schön viele Fotos von Tomaten existieren und ich mich vor Längerem schon entschieden habe, dass es mir unmöglich ist, diese zu bestimmen, folgen nun fünf Sorten ohne genaueren Plan.

61 – 65

Tomate 1 (Solanum lycopersicum – Solanaceae)
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Tomate 2 (Solanum lycopersicum – Solanaceae)
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Tomate 3 (Solanum lycopersicum – Solanaceae)
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Tomate 4 (Solanum lycopersicum – Solanaceae)
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Tomate 5 (Solanum lycopersicum – Solanaceae)
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Leider waren es dieses Jahr nicht so viele Tomaten wie das Jahr zuvor, und irgendwie kommt alles dieses Jahr etwas spät (insbesondere was sich die Physalis gedacht hat, würd‘ ich gern wissen; als hätte sie nun noch die Gelegenheit, gescheit Früchte auszubilden), aber ich möchte und kann mich nicht beklagen. Nicht nur schätze ich mich glücklich, überhaupt die Möglichkeit zu haben, einen Balkon von diesen Ausmaßen zu besitzen. Meine Lieblingsnachbarn haben sich in der Straße gegenüber ein Grundstück gekauft, auf dem sie langfristig ein Haus zu errichten planen, und ich habe schon das OK von Marketa bekommen, den Garten mitzubenutzen, den sie so bald wie möglich anlegen wollen. Das wird sensationell. Endlich Platz für Kürbisse, Melonen, Zwiebeln, Hülsenfrüchte und vielleicht sogar Mais! Whoop!

Und on this wonderful note verlasse ich dich, um weiter meinen Urlaub vorzubereiten. Laister arte.

Wählerische Volition

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Wenn jemand sehen möchte, wie a) meine Terrasse bestückt ist (weil frostgeschädigte Tomaten so einen wunderschönen Anblick abgeben, haha) und b) meine Motivation ihre Prioritäten setzt, der sehe sich dieses Pflanzenpflegedokument an, das ich in Anbetracht meiner nahenden dreiwöchigen Abwesenheit für R erstellt habe. (Ja, gelegentlich habe ich für die Pflanzen Bezeichnungen verwendet, die sich mangels Lust, sie zu bestimmen, bei mir eingebürgert haben – wenn jemand mit echten Namen aushelfen möchte, sehr gern.) Dieses Mal gibt’s keine Ausreden für tote oder fast ausgehungerte Exemplare.

Da sag nochmal einer, ich hätte keine Motivation.

Wobei ich mich nicht motiviert fühle, noch andere Dinge zu tun. Immerhin habe ich das Nötigste für den Urlaub vorbereitet (Bus zum Flughafen, Kontakt mit dem Couchsurfing-Mädel, bei Ebay neue Flipflops bestellt – jetzt müssen die nur noch bis Samstag ankommen).

Am liebsten würde ich gar nichts tun, gar nichts tun und nirgendwo hingehen; die Aussicht darauf überfordert mich – so viel tun zu müssen, die ganzen Herausforderungen des Verreisens. Seit Jahren immer das Gleiche; ich nehme mir Dinge vor und habe überhaupt keine Lust mehr darauf, wenn sie kurz davor sind einzutreten; dann nehme ich sie trotzdem in Angriff – was bleibt mir auch übrig – und dann wird es wunderbar oder zumindest eine wertvolle Erfahrung. Immer das Gleiche.

Dinge, die ich noch tun muss:

  • In anderthalb Stunden zu Marthe fahren; davor duschen.
  • Epilieren.
  • Morgen zu Malikas Geburtstagsbrunch gehen (und ihr Geschenke richten; ich denke an eine Zusammenstellung verschiedener Teemischungen und Salze).
  • Ladegerät für meine alte Point-and-shoot-Kamera finden (wenn schon das meiner gescheiten Kamera irgendwo zwischen Frankfurt und Kolkata verschollen ist).
  • R’s Kreditkarte einsacken, die er mir freundlicherweise ausleiht.
  • Packen. Reisepass nicht vergessen.

Hört sich gar nicht so schlimm an, wenn man es einmal konfrontiert. Ein Glück. Es fällt mir so schwer, Aufgaben zu konfrontieren. Und dann schwellen sie immer weiter an und werden gigantisch groß und furchteinflößend und ich muss den Kopf immer weiter verdrehen, um sie nicht ansehen zu müssen. So muss es Trudi damals mit dem (bzw. ohne den) Strom gegangen sein. Ich verachte sie trotzdem. Ich ziehe Menschen niemals zu diesem Ausmaß mit hinein in meine Verdrängungsmaschinerie.

Um nun aber Punkt eins zu konfrontieren, verlasse ich dich und widme mich meiner Körperpflege.

Atzo da bihar

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So schnell kann es also Sommer werden. Gleich ein völlig anderes Lebensgefühl, die Terrassentür offen lassen zu können und auf die frisch bepflanzten Kübel draußen zu blicken, in denen sich Tomaten und Paprika, Salat und Chilis, Rucola und Wunderblumen dem Licht entgegenstrecken.

Dass R diese Woche Urlaub hat, ruft auch bei mir ein Urlaubsgefühl hervor, auch wenn ich gestern Abend wieder einen Auftrag angenommen habe, mit dem ich gleich beginne. Wir sind mehr als glücklich, von unserem Osterausflug zu seiner Familie zurück zu sein, und genießen unsere wiedererlangte Freiheit und Selbstbestimmung in vollen Zügen. Er, indem er zockt und lernt; ich, indem ich pflanze und lese. Wir zusammen, indem wir ausschlafen und gemütlich frühstücken, Carcassonne spielen, Filme schauen und wunderbares Essen kochen.

Ich freue mich schon jetzt auf den Moment, in dem er nicht mehr arbeiten muss und wir dieses Leben für immer haben können. Denn während ich bestrebt bin, oder vielmehr beim besten Willen nicht anders kann, als aus der Gegenwart das Meiste für mich herauszuholen und den Zwängen nur den nötigsten Raum zu geben, hat er erst Ruhe, wenn ihm seine Zukunft solide erscheint. Eigentlich ähneln wir uns da stark. Nur dass unsere Coping strategies gegenteilig ausfallen. Ich verdränge und beraube mich dadurch vermutlich einer sicheren Zukunft. Er nimmt sich – uns – mit seinem obsessiven Hinarbeiten auf zukünftige Sicherheit die Gegenwart weg.

Auf dem kurzen Spaziergang zum Altglascontainer und zurück überraschte mich der Gedanke, dass es mir vielleicht wirklich lieb wäre, wenn wir heiraten würden, nicht in der Erwartung eines festzementierten ‚Für immer‘, sondern um dem Warten auf diese ferne Zukunft eine konkretere Berechtigung zu geben, einfach mal festzuhalten, dass seine wenig geschätzte, viel auf Zukünftiges ausgerichtete Gegenwart auch mir nicht grundlos ungenutzt durch die Finger rinnt. Ich bin mir dessen sicher und er ist es auch, warum dem Ganzen nicht einen Namen geben.

Dachte ich mir gestern, aber es war nur ein Anflug; heute verstehe ich schon wieder kaum, wozu das Heiraten gut sein soll; als könnte man die Zukunft mit Papier und Tinte in Stein meißeln. Und andersherum: unser gegenseitiges Vertrauen ist so grundsolide, dass jeder Vertrag, jede Unterschrift dagegen lächerlich und wertlos wäre.

Aber genug von Gegenwart und Zukunft. Ich habe einen Auftrag zu erledigen.

Self-esteem, azal zaitez.

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Selbst wenn Becci und ich es nicht bis nach England geschafft haben – es war auch eine Art Urlaub, den ich von Dienstag letzter bis Mittwoch dieser Woche genossen habe.

Becci kam letzten Dienstag und hat sich erstmal zu Ende von ihrer zum Glück rechtzeitig durch Antibiotika eingedämmten beginnenden Lungenentzündung kuriert. Ich war derweil auf Containerzug unterwegs. An den darauf folgenden Tagen haben sich meine Terrasse und mein Kühlschrank durch Beccis grandiosen Einsatz ein enormes Stück in Richtung ihres gewünschten Zustandes entwickelt; der externe Kühlschrank ist aufgelöst und der interne neu sortiert und bestückt. Wenn wir nicht gerade dabei waren, meinem Haushalt nach dem langen Winter wieder Ordnung einzuhauchen, haben wir unsere Zeit mit Musikhören verbracht sowie damit, uns gegenseitig zu therapieren.

Samstag haben wir unseren Alternativurlaub begonnen und sind wie geplant zu Kepa gefahren, welcher uns nach unserer Ankunft natürlich postwendend nach München zum Baskenstammtisch im Biergarten verschleppte. Long story short, so ging es im Grunde auch weiter; wirklich nüchtern fühle ich mich eigentlich erst seit Mittwoch wieder, obschon wir Dienstag Nachmittag bereits wieder hier ankamen.

Naja. Ich wüsste ehrlich gesagt auch nicht, wie ich die Zeit ohne Alkohol hätte überleben können. Beccis Dasein hat natürlich enorm geholfen, aber trotzdem – ich sag‘ es einfach mal ganz plump – macht mich Kepa einfach unwahrscheinlich fertig. Selbstverständlich nicht aktiv, sondern indirekt, indem er – ich krieg’s nicht hin, ich finde die Wörter nicht – alles kann, was ich nicht kann – unberührbar, so weit weg, so überaus viel besser darin, zu leben, als ich es je war oder werde – mein Kopf platzt. Und ich bin absolut selbst dafür verantwortlich zu machen, er gibt mir keinen Anlass; niemand zwingt mich, ihn auf diesen absurd überdimensionierten Sockel zu stellen und mich dann so klein zu fühlen, so weit unten. Es ist völlig destruktiv, jemanden derart zu idealisieren, und das ist mir auch klar und ich würde gern damit aufhören. In diesem Zustand ist es einfach nur anstrengend, mit ihm in irgendeiner Weise zu interagieren. Man hat permanent das Gefühl, besser sein zu müssen, als man ist, und jemanden beeindrucken zu müssen, den man gerade dafür bewundert, dass es ihm egaler nicht sein könnte, was die Welt von ihm denkt.

Wenn es dann wenigstens klappen würde. Aber ich bin so absolut gar nicht mit mir zufrieden in dieser Situation. Nachdem ich so lange dafür gearbeitet habe, mit R ich selbst sein zu können, ist mir dieses Bedürfnis, mich irgendwie optimiert darzustellen, Erwartungen zu entsprechen oder sie zu übertreffen, umso mehr zuwider. Das muss noch der Zeit damals entstammen, in der es mir unmöglich schien, dass ‚ich selbst‘ tatsächlich ausreichen könnte. Was heißt ‚damals‘ – ich arbeite wöchentlich mit der Therapeutin daran, dass sich dieses Wissen bei mir manifestiert.

Vielleicht ist das der Kern des Problems. Damals, als ich mit Becci in Granada war, haben wir darüber gesprochen, dass ich Kepa für mein ‚erfolgreiches‘ Spiegelbild halte, die lebensversierte Ausprägung meiner selbst mit identischen Grundzügen. Nachdem nun die Therapeutin meint, dass das Wertesystem meiner Eltern, durch mich selbst verinnerlicht und in Konkurrenz zu meinem eigenen stehend, mir verwehrt, auf meine eigene Art und Weise zu leben und dabei mit mir selbst zufrieden zu sein, scheint mir dieser Gedanke umso nachvollziehbarer. Ich habe immer gesagt, dass sich Kepa in beiden Welten bewegt wie ein Fisch im Wasser, in der meiner Eltern und in der, die uns selbst vorbehalten ist, während ich mich mit Mühe am Rande der Gesellschaft über Wasser halte und ‚die Welt da draußen‘ mir ein ewiges Mysterium bleibt. Natürlich idealisiere ich ihn: meine inneren Eltern lieben seinen gesellschaftlichen Erfolg und seine sozialen Fähigkeiten, während sie mich für das Ausbleiben derselben zu tadeln nicht müde werden; ich selbst in mir bewusst oder meine, mir bewusst zu sein, dass dieses so überaus solide Mauerwerk nicht den echten Menschen darstellt, denn alle Einblicke, die er mir gewährt hat, sprechen dagegen; das ist der Teil, der mit meinem eigenen Empfinden resoniert und welchem allein ich auf Augenhöhe begegnen kann, mein Spiegel, in dem ich ohne jegliche Verzerrung mich wiedererkenne.

Jedenfalls sollte ich bis Mitte Mai daran arbeiten, mal darauf klarzukommen, dass es auch nur ein Mensch ist, oder aber ich kann mich auf drei anstrengende Wochen gefasst machen.