Wenn ich dir nun verkünde, dass Basti und ich vor gut zwei Wochen unter tatkräftiger Mitwirkung als Portwein getarnten Wahrheitsserums zu der Erkenntnis gelangten, dass wir uns wohl doch nochmal ein Stück mehr mögen als zuvor angenommen, wird es dich vermutlich weniger überraschen als mich. Ich gehe fest davon aus, dass unter allen Menschen, die uns kennen, wir selbst mit Abstand diejenigen sind, die es am meisten überrascht.
Aber so ist es nun. Der Portwein hat uns die Tür geöffnet, wir sind hindurchgegangen, und welch ein spektakulärer Anblick sich uns bietet in diesem Raum: hier lagern Reichtümer in einer so unermesslichen Fülle, dass ein Leben nicht lang genug sein könnte, sie zu erschöpfen. Wir haben in unserem eigenen Haus eine Schatzkammer gefunden, die im Überfluss beherbergt, woran es uns zuvor bitterlich mangelte. Und wovon ich ebenfalls überzeugt bin: wir mussten diesen Mangel ertragen und damit leben lernen, um diesen Raum betreten zu dürfen. Zu keinem früheren Zeitpunkt hätte uns darin Vergleichbares erwartet. Ich bin nicht einmal sicher, ob es nicht noch später hätte passieren sollen. Ich war noch gar nicht fertig mit meiner Persönlichkeitsarbeit, und er ist es definitiv auch nicht.
Was wiederum typisch und, scheint’s, unvermeidlich ist – ich kann nicht umhin zu zweifeln. Nach allen bisherigen Erfahrungen scheint mir der Luxus einer über fünf Tage hinausgehenden ungetrübten, glückseligen Honeymoonphase nicht länger vergönnt zu sein. Ich trauere nur bedingt um den Verlust dieser Naivität (je früher man sich des Schimmels in den Ecken gewahr wird, desto eher kann damit begonnen werden, ihn zu beseitigen), aber sorge mich, weil ich die Legitimität insbesondere des Ausmaßes meiner Zweifel und Bedenken nicht einschätzen kann. Wie viel davon ist okay, wie viel ist selbstkonstruiert, wie viel absurd, wie viel schlicht nicht mein Verantwortungsbereich? Wie viel der Tatsache geschuldet, dass sich zum ersten Mal in meinem Leben etwas so richtig anfühlt, dass es ausnahmslos allem, was ich bis zu diesem Punkt durchlebt habe, rückwirkend Sinnhaftigkeit verleiht? Kann es sein, dass die Überzeugung sich so tief festgesetzt hat, echte Liebe in diesem Leben nicht mehr kennenzulernen, dass die Möglichkeit nun, da sie sich auftut, meiner Realität zu fern liegt, um sie akzeptieren zu können? Wie soll ich mir nach allem, das ich erlebt habe, in dieser Hinsicht selbst vertrauen können? Wo liegt die Grenze zwischen Selbstschutz und Selbstsabotage?
Fakt ist, ich möchte die Dinge besser machen als bislang, aber aus der verkehrten Welt herauszukommen, in der ich lange, lange Jahre verbracht habe, gestaltet sich schwierig. In der Vergangenheit habe ich Liebe geleugnet, wo sie unleugbar war, und Liebe erschaffen, wo sie unmöglich war. Ich habe den Selbstbetrug um mich gelegt wie eine zweite Haut, die nach und nach mit meiner eigenen verwachsen ist. Sie nun abzulegen und mich meinen Wahrheiten zu stellen wird eine Aufgabe sein, die mich sowohl im Rahmen dieser neuartigen zwischenmenschlichen Entwicklung als auch darüber hinausgehend in meinem Selbstformungsprozess noch lange begleitet.
Bleibt festzuhalten, dass die Fensterfront aus Puede Ser sich mir in all ihrer Pracht, wenngleich nur für einen flüchtigen Moment, bevor das (Über-?) Denken wieder einsetzte, zum ersten Mal eröffnet hat, ohne dass ich mir dafür etwas hätte vormachen müssen. Ganz im Gegenteil. Sie war einfach da. Zusammen mit einem überwältigenden Gefühl des Angekommenseins, wie ich es mir je zu erleben kaum mehr erträumt hatte. Das macht doch Hoffnung.